Ein Berliner aus Mülheim an der Ruhr

Arnulf Rating zum 60. Geburtstag

Arnulf Rating fühlt sich als Berliner, geboren in Mühlheim. Sein Kabarett ist derb, politisch und urkomisch. Nun feiert er seinen 60. Geburtstag. Harald Pfeifer mit seinen Glückwünschen.

In Mülheim an der Ruhr ist er geboren, seine Jugend hat er in Wuppertal verbracht, zu studieren begann er in Münster Mathematik und Physik, doch gelandet ist er schließlich als Student der Theaterwissenschaften in Berlin. Sein Kabarett ist die Probe aufs Exempel, wie viel Widerspruch die eitlen und machtgewohnten Helden der Gegenwart aushalten. Das System, dass sich da so schmuck und selbstgefällig anbetet, ist seins nicht. Wenn Unmut in ihm aufkommt, ist er nur schwer zu bremsen und er findet dann schon die passende Formulierung.

„Wo ich bin, ist immer was los“

Arnulf Rating ist alles andere als ein bequemer Staatsbürger. Ein Mitmacher war er nie. Er hat immer nur das thematisiert, was ihm selbst gestunken hat. So war das auf den Demos seiner Schulzeit. Was da in Berlin lief, hatte ihn bereits zu jener Zeit heiß interessiert. Im Grunde war er schon immer ein Berliner, denn seine Devise war: „Wo ich bin, ist immer was los.“ Und was ihn dann später auf die Bühne trieb, war die Erfahrung, dass man dort am leichtesten helle Aufregung stiften kann. 1977 gründete er mit Günter Thews die „Drei Tornados“. Bis 1990 gab es am Akkordeon zwei dritte Männer, Holger Klotzbach löste 1981 Hans-Joachim Krank ab.

Derb, politisch und urkomisch

Das Konzept war Politik und Unterhaltung. Die Besucher sollten „oben mit erweitertem Bewusstsein und unten mit nasser Hose“ nach Hause gehen. Zum Kabarett gehören für ihn noch heute die Eigenschaften derb, politisch und urkomisch. Noch etwas war bei den Drei Tornados neu. Während die ältere Generation mit Kabarett und Rollkragen auf kleinen noblen Bühnen für Gerechtigkeit in der politischen Welt sorgen wollte, spielte das Trio mit Vorliebe und aus Überzeugung in Kneipen und im Getümmel von Demonstrationen. Während die Hüschs, Hildebrandts oder Neuss‘ um die ausgefeilte Kunst der Formulierung bemüht waren, plündernden Die Drei Tornados die Schlagerarchive. Sie schrieben für diverse Gassenhauer neue Texte - hier stimmten die Haltung und der Spaß, nicht unbedingt aber das Versmaß. Diese Spielweise war ebenso genial wie dilettantisch. Noch heute erinnert Ratings Körpersprache zuweilen unübersehbar an das legendäre Berliner Anarcho-Kabarett. Auch sein Faible für Frauenrollen hat er sich erhalten. Und doch sagt er, es habe sich seither sehr viel verändert. Einst waren seine Vorbilder Dario Fo und Monty Python hierzulande noch unbekannt. Comedy war zu jener Zeit noch etwas Exotisches. Heute könne man solche Mittel nicht mehr so selbstverständlich verwenden.

Gewiefter politischer Kabarettist

Geblieben ist aber seine Schnelligkeit. Er braucht oft nur Stunden, um eine Information zu verarbeiten, dazu Haltung zu beziehen und die schließlich pointiert zu formulieren. Das ist das Können eines gewieften politischen Kabarettisten. Ein ausgesprochener Solist war er nie. Seine besondere Freude, mit anderen zusammen etwas zu veranstalten, hat prominente Resultate. „Blauer Montag“, „Maulheldenfestival“, „Politischer Aschermittwoch“ … Weil er ebenso freundlich wie entspannt organisiert und weil er stets zuverlässig die Fäden in der Hand hält, ist der Meister der Klamotte bei seinen Kollegen über die Maßen beliebt. Deshalb kommen wohl auch die Stars der Szene, wenn er zum Politischen Aschermittwoch einlädt. Und wenn man ihn fragt, was das alles soll, er habe als Solist doch schon genug um die Ohren, führt er politische und künstlerische Gründe an. Er selbst kommt in solchen Reden nicht vor. Oft schreibt man das, für Rating stimmt’s: Er ist uneitel.

Gemeinsam mit Kollegen …

Das Starensemble mit Matthias Beltz, Achim Konejung, Heinrich Pachl, Arnulf Rating und Horst Schroth mit dem Programm „Reichspolterabend“ von 1990
Mit vielen Kollegen hat er schon zusammengespielt, nach der Auflösung der Drei Tornados mit Heinrich Pachl das Programm „Wo andere beten“ auf die Bühne gebracht, unvergessen ist der „Reichspolterabend“, das Starensemble mit Matthias Beltz, Achim Konejung, Heinrich Pachl, Arnulf Rating und Horst Schroth. Ins Leben gerufen wurde diese kabarettistische Fusion, um das Brautpaar Ost- und Westdeutschland vor, während und nach der Eheschließung kritisch zu begleiten. Das war eine satirische Gemeinschaft, die rotzfrech war, für jeden Unsinn zu haben, im Fadenkreuz immer die aktuelle Politik. Das erinnerte an die Tornados, auch an den Wahren Anton oder dem Vorläufigen Frankfurter Fronttheater. Verbindungen jener Kabarettistengeneration, die in den 1980er-Jahren durch besondere Respektlosigkeit auf sich aufmerksam gemacht hatten. Sie waren schnell, direkt und liebte chaotische Formen.

… und solo

In dieser Tradition steht natürlich Arnulf Rating auch als Solist. Auf der Bühne erlebt man den politischen Alleinunterhalter, der sich dann in die Schwester Hedwig oder irgend einen Yuppi-Schnösel verwandelt, der seinen Schnitt machen will und im Improvisationsteil ist seine Zeitungsschau immer wieder eine eigene und beliebte Programmecke. Mitte September hatte sein neues Programm „Stresstest Deutschland“ Premiere. Nun ist etwas Zeit zum durchatmen und es gilt Geburtstag zu feiern. Herzlichen Glückwunsch.

© MDR FIGARO, 21.10.2011